Projekt B8:
Korpusbasierte Untersuchung lokaler und temporaler Deiktika in (spontan) gesprochener und (reflektiert) geschriebener Sprache
(beendet 2001)

  Hauptseite des SFB
  Teilprojekte des SFB
  B8 Publikationen
EnglishDeutsch

Leiter

Prof. Dr. Jochen Raecke
Slavisches Seminar
Universität Tübingen
Wilhelmstraße 50
72074 Tübingen
Tel. +49/7071/29-75027; fax +49/7071/29-5924
email: jochen.raecke@uni-tuebingen.de

Mitarbeiter

Slavica Stevanović
Büro: Nauklerstr.35, Raum 2.11
Tel. +49/7071/29-77150
Email: slavica.stevanovic@uni-tuebingen.de
Gabrijela Fulir
Büro: Nauklerstr. 35, Raum 2.11
Tel. +49/7071/29-77150
Email: gabi.fulir@student.uni-tuebingen.de 

Ziel

Gegenstand des Projekts sind alle jene Worteinheiten des Bosnischen /Kroatischen /Serbischen, die formal eine auffallend homogene Klasse bilden ([fast vollständig] formgleiche Basen mit [fast vollständig] gleichen derivativen Formativen) und traditionell als Einheiten einer dreistufigen personen-, d.h. auf Sprecher, Angesprochenen und Besprochenen bezogenen Deixis angesehen werden. An der funktionellen Zusammengehörigkeit dieser Einheiten ist ebenfalls nicht zu zweifeln, da sie alle als Demonstrativa und damit im unbestrittenen Kernbereich der Deixis fungieren können, so daß ihre Auffassung als morphologische Klasse gerechtfertigt ist. Allerdings läßt schon der Blick in Vuk Karadžićs (1818, 1852) und spätere Wörterbücher, vor allem aber die bereits unternommene Untersuchung umfangreicherer Texte, die Teile eines z. T. selbsterstellten, z.T. übernommenen Korpus sind, das laufend erweitert wird - erhebliche Zweifel daran aufkommen, daß es sich bei diesen Einheiten durchgehend und ausschließlich um Repräsentanten einer dreistufigen personenzentrierten Deixis handelt. Im Projekt wird folglich zweierlei in und als Frage gestellt, nämlich ob sich (1) eine durch die Form der Einheiten nahegelegte durchgehende Dreistufigkeit und (2) die Interpretation als ausschließlich personenzentriert im tatsächlichen Gebrauch dieser Einheiten (noch) erkennen und linguistisch vertreten läßt. Das diese Zweifel besonders begründende Korpus besteht aus recht verschiedenartigen Texten sowohl literarischer als auch nichtliterarischer Art (Fernsehnachrichten und Zeitungstexte, Comics, Interviews, wissenschaftl. Publikationen), dokumentiert speziell aber auch (unredigierte) spontan gesprochene Sprache (Narrativinterviews), und gerade die vergleichende Analyse solcher heterogener Texte deutet die Notwendigkeit einer weitgehenden Revision der Vorstellungen von a) einer systematischen Dreigliedrigkeit, b) ausschließlicher Personenzentriertheit an, und zwar dahingehend, daß der Zusammenhang zwischen der Form und der Funktion dieser Einheiten mit starken semantisch/syntaktisch/pragmatischen Spezialisierungen in verschiedenen Gebrauchssphären inzwischen - wenn er je so bestanden hat - weitgehend gelöst ist. Diese Deiktika, resp. alle jene, die heute überhaupt noch gebräuchlich sind, bilden zwar immer noch eine funktionelle Klasse, aber keine in sich homogen oder systematisch strukturierte mehr. Erhebliche und dabei rekurrente Unterschiede lassen sich insbesondere feststellen zwischen Texten, die als Dokumente einerseits reflektiert schriftlichen und andererseits spontan mündlichen Sprachgebrauchs beschrieben werden können. Entsprechende Analysen, die - abweichend vom häufig Geübten - weder auf die Bestätigung eines explizit oder implizit vorweg angenommenen deiktischen Systems ausgelegt, noch auf die Diskussion ausgewählter Beispiele beschränkt sind, sondern sämtliche der im Korpus enthaltenen einschlägigen Daten zunächst einmal als im Prinzip gleichwertig in Betracht ziehen, lassen bereits jetzt feststellen, daß es 1. einen signifikanten medialen Unterschied im Gebrauch der einzelnen Einheiten gibt - sowohl das Inventar wie ihre Frequenz betreffend -, woraus folgt, daß sowohl die beiden diesbezüglichen "Systeme" der Schriftsprache und der spontan gesprochenen Sprache als auch die Funktionen der "gleichen" Einheiten in den beiden Medien unterschiedlich sind - dies legt den Schluß auf einen in der spontanen Mündlichkeit z.T. bereits vollzogenen, z.T. sich noch vollziehenden Sprachwandel nahe -, daß 2. die Dreistufigkeit partiell bereits einer Zweistufigkeit gewichen ist und Personenbezogeheit starken Restriktionen unterworfen ist, so daß sie weder als durchgehend noch als ausschließlich angesehen werden kann, und daß 3. das Phänomen dieser Deiktika oder der Deiktika insgesamt ein in wesentlich höherem Maße textsortenspezifisches ist, als bisher - wenn überhaupt (Diewald 1991, Green 1995) - in und von der Forschung wahrgenommen wurde. Ziel des Projektes ist es, mittels extensiver PC-gestützter Datenexploration theoriegeleitete Beschreibung und sprachliche Wirklichkeit der v/t/n-Deiktika im genannten Teilbereich näher aneinanderzuführen, als sie es im Augenblick offensichtlich sind.

Publikationen


Seite erstellt von Laura Kallmeyer und Christoph Singer. Aktualisiert am 17. September 2001.
Ansprechpartner: Slavica Stevanović.